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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 166

1911 - Erfurt : Keyser
- 166 — währte er den neuen Landeskinder eine zehnjährige Steuerfreiheit. Seinem Rufe folgten wohl 20 000 Familien ans Schwaben, Franken, Niedersachsen und der Schweiz. Den größten Zufluß hatte das preußische Land aber aus Salzburg. Not der Salzburger: Dort hatte der Erzbischof seinen evangelischen Untertanen besohlen, katholisch zu werden oder auszuwandern. Doch nur wenige bekehrten sich, die anderen wurden mitten im Winter ausgewiesen und lagerten einen Monat lang an der Grenze Bayerns aus freiem Felde. Sie wandten sich in ihrer Not an den König Friedrich Wilhelm, und dieser wurde ihnen ein treuer Helfer und Beschützer. In einer öffentlichen Bekanntmachung erklärte er sie für seine Schützlinge und bot ihnen sein Königreich Preußen als Zufluchtsort und neue Heimat an. Zug der Salzburger nach Preußen: Im Frühling 1732 machten sie sich mit Sack und Pack und Weib und Kind auf den Weg. Friedrich Wilhelm schickte ihnen Bevollmächtigte entgegen, welche ihnen täglich für den Mann 4, sür die Frau 3, sür ein Kind 2 Groschen Reisegeld zahlen und sie leiten mußten. Die Hauptzüge gingen, die Richtung auf Berlin hallend, ans verschiedenen Wegen durch Schwaben, Hessen, Sachsen und Thüringen. Die Salzburger im Erfurter Gebiet: Hierbei berührten einige Haufen das Erfurter Gebiet, und am 8. August 1732 zogen mehr als 800 Salzburger an der Stadt selbst vorüber. Sie kamen vom Steiger her über Daberstedt nach dem Schmidtstedtertor und gingen von da außerhalb des Krämpser- und Johannestores nach Ilversgehofen auf das Ried, wo sie sich lagerten. Die Auswanderer, die meist zu Fuß kamen und Stäbe in den Händen hatten, sangen, während sie einherzogen, sromme Lieder, vor allem ihr Lieblingslied: „Ich bin ein armer Exulant, Also tu ich mich schreiben. Man tut mich ans dem Vaterland Um Gottes Wort vertreiben." Etliche der Salzburger trugen Kinder und kleine Wiegen auf dem Rücken. Die Männer waren mit kurzen Tuchjacken, weilen, unten zugebundenen Hofen und dickbesohlten Riemenschuhen bekleidet, die Frauen mit großen Strohhüten, kurzen Röcken und wollenen Miedern. Auf Wagen, die zum Teil mit ihren eigenen, großen und starken Pferden bespannt waren, führten sie Kranke, Altersschwache und Kinder nach. Keinen hörte man über die erduldeten Bedrückungen klagen, und die Bürger, die ihnen zum Empfang entgegengeeilt waren und sie begleiteten, konnten sich nicht genug über das „sehr gelassene, stille Wesen" der Salzburger wundern. Sie schenkten ihnen viel Geld, Bücher, Kleider, Schuhe und Strümpfe und brachten ihnen eine Sammlung von 570 Reichstalern, zu welcher die Geistlichen von der Kanzel herab aufgefordert hatten, nach Weißensee nach.

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 210

1911 - Erfurt : Keyser
— 210 — Feldlager verwandelt, und zahllose Wachtfeuer lohten mit qualmender Flamme zum wetterschwarzen Nachthimmel empor. Selbst die Domstufen dienten als Schlafstätte, und auf den Steinfliesen der Häuser brannten die Lagerfeuer und ruhten die Soldaten. Pferde und Menschen lagen nebeneinander, ermattet von den Anstrengungen der Flucht und dem ausgestandenen Hunger. Alle Läden waren geschlossen. In höchster Eile brachten die Bürger ihre Habseligkeiten, die letzten Reste aus der langen Erpressungszeit, in sichere Verwahrung. Sie fürchteten eine allgemeine Plünderung, da bekannt geworden war, daß die fliehenden Franzosen die Dörfer ausgeraubt hatten. Es war darum ein Glück für die Stadt, daß der Kaiser in diesen Tagen mit feinem Gefolge in ihr Aufenthalt nahm. Auf seinen Befehl durchstreiften zahlreiche Wachen nach allen Richtungen die Stadt und nahmen alle, die sich einfallen ließen, Sicherheit und Ruhe zu stören, in Haft und schafften sie ins Biwak. Unterdessen dauerte der Durchzug der geschlagenen Armee weiter fort und schien tatsächlich kein Ende nehmen zu wollen. Am Tage übertraf das Truppengewühl in den Straßen vom Anger bis zum Brühlertor alles bisher Gesehene. Nur in den Nachtstunden wurde es etwas ruhiger, da ein kaiserlicher Befehl für diese Zeit die Tore selbst feinen Soldaten sperrte. Die fliehende Armee mußte in der Nacht außerhalb der Stadt vorübermar-fchiereu. Abreise Napoleons: In der Nacht vom 24. zum 25. Oktober verließ Napoleon die Stadt; denn die Preußen und Verbündeten waren ihr bedenklich nahe gekommen. Der Donner ihrer Geschütze rollte schon aus der Ferne herüber, selbst das Knattern des Gewehrfeuers war deutlich hörbar. So wurden schnell die Zelte niedergerissen, die Tornister gepackt und die Gewehre geschultert. Kurz nach Mitternacht marschierte eine Abteilung der kaiserlichen Garde vor der Hosstatt auf und nahm zu beiden Seiten des Eingangs Ausstellung. Dann fuhr der Reifewagen des Kaisers vor. Ihm folgte eine endlose Reihe von Kutschen. Diener mit Pechfackeln bildeten eine Ehrengasse bis zum Wagen. Nachdem dann ein lauter Trommelwirbel gerührt war, trat der Kaiser mit einem reichen Gefolge von Marschällen und Adjutanten aus dem hohen Tor. Den Kopf bedeckte der kleine Dreispitz. Des Kaisers Züge waren finster und bleich. Sein Blick streifte flüchtig die Menge. Fester schlug er den Wettermantel um sich und bestieg den Wagen. Ein General war sein Reisebegleiter. Vom Turm der nahen Wigbertikirche kündete mit dumpfen Schlägen die Glocke die zweite Stunde der Nacht. Gerade jetzt dröhnte der Widerhall des Gefchützfeuers der Preußen und ihrer Verbündeten gewaltiger über die Stadt. Langsam fetzte sich der Zug der Wagen in Bewegung. Das Auge des Kaisers starrte schweigend in die finstere Nacht. Dachte er viel-

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 214

1911 - Erfurt : Keyser
— 214 — Leitern wurden ausgerichtet und mit Eimern, die von Hand zu Hand gingen, der Dachstuhl begossen. Aber die Flammen sprangen bum einem Sparren zum anderen über und einten sich schließlich zu einer mächtigen Brandfackel. Es war, als ob ihr Schein den Geschützen ein neues Ziel verraten hätte. Ein wahrer Regen von Granaten fiel auf die Ebene der Festung nieder. Da flog im feurigen Bogen ein Geschoß in einen Heuschober, der für die französische Reiterei bestimmt war. Eine ungeheure Feuergarbe schoß sprühend zum schwarzen Nachthimmel empor. Die brennenden Heubündel fielen auf das Dach der Hauptwache. Wenige Minuten später züngelten auch dort die ersten Flammenspitzen hervor und leckten gierig am ausgetrockneten Gebälk. Gegen 10 Uhr abends schwiegen endlich die Kanonen; mit einer kurzen Unterbrechung am Mittag hatten sie ihr Zerstörungswerk vom frühen Morgen bis zum späten Abend fortgesetzt. Ueber-all herrschte Stille wie in einem Totenhause. Sie wurde nur durch die unaufhörlichen Sturmschläge von den Türmen unterbrochen. Ueber dem Flammenmeer, das den „Graden" bedeckte, lagerte eine schwarze Rauchwolke, und über diese hinaus erhoben sich, gegen den dunkeln Himmel abgezeichnet, die brennenden Gebäude des Petersberges. Die Höhlen der Chorfenster leuchteten im Glanze verglimmender Glut. Die Stadt selbst glich einem glühenden See mitten in einem finsteren Talbecken. Nur die grauen Steinmauern des Domes ragten in einsamer Hoheit unversehrt aus den feurigen Wogen hervor. Nach der Beschießung: In banger Spannung verging die Nacht. Die meisten Augen blieben schlummerlos. Jeder erwartete mit Schrecken den abermaligen Beginn der Kanonade. Zur allgemeinen Beruhigung aber traf schon früh am andern Morgen die Nachricht ein, daß zwischen den Feinden friedliche Unterhandlungen abgehalten würden. Nun wagte man sich wieder auf die Straße, um das Bild des Jammers und der Verwüstung zu schauen. Den traurigsten Anblick gewährte der Platz vor den Graden. Ueber die rauchende Brandstätte der Gebäude ragte nach dem Berge zu die Festungsruine hervor. Sie schien wie durch ein Wunder auf den Marktplatz vorgerückt zu fein. Bis hinunter zur Andreaskirche war jetzt ein offner, öder Raum; hier waren 121 Häuser ein Raub der Flammen geworden. Der Marktplatz war mit gerettetem Hausrat besetzt. Die Häuser aber auf den beiden vom Feuer verschonten Seiten sahen Ruinen ähnlich. Die Fenster waren teils ausgehoben, teils zersplittert und die Läden feft verschlossen. Auch die Predigerkirche war mit geretteten Sachen gefüllt. Sie bot ein schwaches Bild des Tempels zu Jerusalem, ehe der Herr die Käufer und Verkäufer ausgetrieben hatte. Sogar ein Kasten mit einem Eichhörnchen stand auf dem Altar zur großen Freude der

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 161

1911 - Erfurt : Keyser
— 161 — hatten auch die Schweden wegen der zurücke gehenden Kayserlichen macht nicht lange zeit, als wurde beiderseits vom accord1) gehandelt und nach dreitägiger handelunge die stadt aufgegeben. Denen herren Schweden wurde gegeben zur rancion2) der stadt 16000 thlr. baargeld und 16000 thlr. an tuch und schuen, und wurde ein regiment Schwedische völcker in die stadt und auf die burgk geleget. Ehe die Schwed. armada von der stadt wegging, wurden vorher die ar-tollerey welches 100 stück geschüz waren hineingeführet, stunden so lange auf dem Anger bis sie mit guter manier konten nachgeführet werden. Das regiment volck solte zwart dem accord nach auf dem lande liegend bleiben und nicht in die stadt kommen, nachdem aber die Keyserliche armada sich zu nahe ins gehege begeben wolle, zog dasselbe anno 1637 den tag Mariae Lichtmes (2. Febr.) gegen abend als schone temmerunge war hinein und blieb so lange drinne bis der friede gemacht wurde. Falckenstein’sche Chronik. 53. Das Erfurter Friedensfeit. (1650.) Heuer zeigten die grünen Maien, mit Welchen man zu Pfingsten die Kirchen schmückte, zum ersten Male keine roten Blutströpschen mehr. Bisher Hatte man dieses traurige Himmelszeichen, das die Fortsetzung des unheilvollen Krieges verkünden sollte, in jedem Frühling neu an dem jungen Blätterschmuck der Birken erspäht. Der Frieden War Wirklich da! Er War nach dreißig langen Kriegsjahren endlich Wieder in Deutschland eingezogen. Die meisten der Lebenden freilich kannten ihn nicht, und die Wenigen Alten, welche noch lebten und die Schrecknisse des Krieges überdauert hatten, erinnerten sich seiner nur aus ihrer Jugend. Wie überall im deutschen Lande, so rüstete man sich Mitte September 1650 auch in Ersnrt, die Wiederkehr des Friedens festlich zu begehen. Nachdem die letzten Truppen der schwedischen Besatzung — 690 Mann mit 655 Frauen und 916 Kindern — aus mehr als 80 Wagen und mit 300 Pferden die Stadt verlassen hatten, begann auf Anordnung eines Hohen und Ehrbaren Rates ein Mehrtägiges Dankfest. In der Frühe des ersten Festtages donnerten die Wallgeschütze über die Stadt und weckten die Bürger aus ihrem ruhigen Schlafe. Doch nicht angstvoll horchten sie diesmal aus! In das Brüllen der Geschütze mischte sich kräftiger Posannenfchall. Wie Engelsgesang aus Himmelshöhen ertönte vom naben Kirchturm der uralte Lobgesang: „Allein Gott in der Höh' sei Ehr Und Dank für feine Gnade," l) accord Vergleich; 2) rancion — Lösegeld. i

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 213

1911 - Erfurt : Keyser
213 — nach dem Steiger und den umliegenden Dörfern; verschiedene aber, die nicht bei Zeiten zurückkehrten, wurden ausgeschlossen^ Durch die Zurückkommenden verbreitete sich die Nachricht, daß das Land noch mehr gelitten habe als die Stadt, daß aus den benachbarten Dörfern auch alles ausgezehrt und einige ganz verödet wären. (Nach Coust. Beyer.) 77. Die Beschießung Erfurts durch die Verbündeten, b. riovember 1813. Beschießung der Stadt: Der 6. November 1813, ein Sonnabend, zog trübe heraus. Ein Schleier undurchsichtigen Herbst-nebels lagerte über dem Tal der Gera. Da rollten gegen 6 Uhr morgens 3 Kanonenschüsse vom Steigerwald zur Stadt herüber. Da seither soviel Schüsse von den Wällen aus die Verbündeten gesenert worden waren, so waren die Bürger daran gewöhnt und befürchteten auch diesmal keine Gefahr. Gleich daraus aber setzte von allen Höhen rings um die Stadt eine fürchterliche Kanonade ein. Sie wurde von der Festung lebhaft beantwortet, doch ohne großen Erfolg, da der Nebel die Stellungen der Artillerie der Verbündeten verdeckte. Die Wirkung der Bomben war schrecklich. Bald lohten an den verschiedensten Enden der Stadt die Flammen empor, und, von deu grauen Nebelmassen niedergedrückt, lagerte sich ein dichter Qualm über den Plätzen und iu den Straßen. Nun war's um die Ruhe der Bürger geschehen; laut hallte ihr Angstgeschrei durch die Straßen. Alles eilte, sich zu retten. Viele Familien suchten ihre Wertsachen aus den ranchersüllten Häusern in Sicherheit zu bringen, und hatten sie endlich ein sicheres Versteck gesunden, so sielen auch da die Feuergarbeu nieder und zwangen zum Weitereilen. Zwar wurde anfangs der Versuch gemacht, die Brände zu löschen, als aber gegen Mittag das Flugfeuer immer mehr neue Stadtteile eroberte, gab man jede weitere Bemühung auf. Am schlimmsten wütete der Brand in den Gassen, die den Raum von den Graden nach dem Rnbenmarkte und der Andreasstraße hin deckten. Hier hatte eine Brandgranate in dem Hause eines Krämers gezündet. Ein starker Vorrat von brennbaren Stössen gab dem Feuer Nahrung, und da die dicht sollenden Kugeln jede Annäherung unmöglich machten, so standen bald alle die engen Häuserreihen in Flammen. Brand der Peterskirche: Gegen Abend tras eine Granate das Dach der Klosterkirche. Ihr solgte eine zweite und dritte. Ein Geschütz schien auf die Kirche gerichtet zu fein, die von den Franzosen in ein Vorratshaus verwandelt war. Auf dem Festnngs-hof erscholl der Ruf: Feuer! Schnell wurden Anordnungen zur Rettung der Vorräte getroffen. Zunächst galt es, den Schießbe-dars zu bergeu, dann ging es an die Ballen und Säcke. Hohe

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 216

1911 - Erfurt : Keyser
— 216 — lassen und den Prinzen von Weimar, der nach dem Gasthof „zum römischen Kaiser" reiten wollte, selbst mit dem Degen in den Schenkel gestochen. Außerdem hatte er noch versucht, mit einer Flinte, welche er einem französischen Soldaten aus der Hand gerissen, den Prinzen zu erschießen. Nun stürzten sich die Bürger auf den Offizier. In ihrer Wut warfen sie ihn nieder, traten ihn mit Füßen, und ein Kaufmannsdiener erstach ihn. Auch die Wache, welche gefeuert hatte, wurde mißhandelt. Man zerbrach den Soldaten die Gewehre und zertrat dem Tambour die Trommel. Nur mit großer Mühe gelang es den preußischen Offizieren, die Wut und Erregung der Bürger zu beschwichtigen und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Zerstörung der Napoleonssäule: Unterdessen hatten einige Bürger und Postillone die vor dem „römischen Kaiser" errichtete Napoleonssäule in Brand gesetzt. Ohne sich um die Wache zu kümmern, hatten sie den Gipsüberzug mit Beilen zertrümmert und brennendes Stroh in das Innere geworfen. Ta dieses aber nicht gleich zünden wollte, waren dinige flinke Jungen innen an den Balken der Säule bis zur Spitze emporgeklettert und hatten den schützenden Blechdeckel abgestoßen. Dadurch hatte das Feuer Luft bekommen, und lustig flackerten jetzt die Flammen empor, zumal sie durch die hineingeworfenen Schmiereimer der in der Nähe haltenden Wagen der Fuhrleute reiche Nahrung erhielten. Bald darauf stürzte der Bau unter dem lauten Jubel der Volksmenge krachend zusammen (Bild im Rathaussaal). Begrüßung der Einziehenden: Nun konnte endlich eine Anzahl junger Mädchen an den General v. Kleist herankommen und ihm ein Gedicht überreichen. Damit hatte der Einzug fein Ende gefunden. Die preußischen Truppen verteilten sich in der Stadt und hielten die Wachen besetzt. Die Franzosen aber blieben vorläufig noch in den beiden Festen eingeschlossen; der Kommandant d'alton hatte nur die Stadt übergeben. Schon in den nächsten Tagen herrschte in ihr neues, reges Leben. Auf allen Straßen sah man frohe Gesichter, und die frei einwandernden Landleute begrüßten wieder ihre städtischen Bekannten und brachten ihre Vorräte mit. Abmarsch der Franzosen: Am Abeud des 5. Mai don- nerten plötzlich die Kanonen auf dem Petersberge und der Eyriaks-burg. Da man die Veranlassung nicht kannte, rannte alles nach dem „Graden". Hier erblickte man auf der Feste die weiße Fahne, das Zeichen der Nebergabe, lustig im Winde flattern. Am Nachmittage war ein Eilbote des Prinzregenten von Frankreich hier eingetroffen. Er hatte die Nachricht von der Wiederaufrichtung des Königreiches überbracht, und jetzt stand die Besatzung auf den Mauern der Festung und rief ein „Vive le roi!“ nach dem andern. Nun war der Abmarsch der französischen Truppen bald zu erwarten.

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 92

1911 - Erfurt : Keyser
— 92 — trüben -lagert wurde es in den engen Gassen und den düsteren Stuben kaum wirklich Tag. Die Menschen verkrochen sich dann mit den notwendigsten Hantierungen in die Herdstube, in der allein eine erträgliche Temperatur herrschte. Dem Meister der Zünfte gestattete der spät beginnende Tag und die früh einfallende Dunkelheit nur wenige Arbeitsstunden. Nur die Gewerke, die beim schein des Herdseuers oder bei der Kiensackel arbeiten konnten, als Schlosser, Schmiede, Böttcher und einige andere, dehnten den Arbeitstag bis zur Feierabendglocke aus. Dazu kamen noch Entbehrungen anderer Art. Die ohnehin schlechten Landwege waren im Winter kaum zu benutzen, und die Zusubr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, wie der Thüringer Wald sie lieferte, konnte naturgemäß nur sehr spärlich sein. Es geschah wohl nicht nur zu Kriegszeiten, wo die Straßen durch feindliche Reiter gesperrt waren, daß die Köhler vom Walde nicht in die Stadt kommen konnten und daß die ganz unentbehrliche Holzkohle sehlte, daß die Bauern nichts zum Markte brachten und der Tisch selbst mit Fleisch nur mühsam versorgt werden konnte. Auch die offenen Brunnen versagten oft im Winter, und die Hausfrauen mußten Eis und Schnee auftauen, um das notwendige Kochwasser zu gewinnen. — So lebten die Menschen dumpf und freudlos in ihren vier Pfählen während der weitaus größten Zeit des Jahres dahin. Sie entbehrten alle die Zerstreuungen, die uns den Winter zu einer Zeit besonderer Vergnügungen machen, und nur an Sonn- und Feiertagen mögen Schnee- und Eisspiele eine dürftige Abwechslung geboten haben. Wer all diese Leiden imt> Entbehrungen sich vorzustellen vermag. der kann auch die maßlose Freude und zugleich die tiefe Innigkeit verstehen, mit der unsere Vorfahren den Frühling begrüßten. Er war ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ein Leben-und Lichtbringer. Er sprengte nicht nur Eisdecken und Knospenhüllen, er sprengte auch Türen und Fenster und trug seinen belebenden Odem durch die Gassen und rief die Menschen aus der Nacht des Winters an den Tag der Freude. Frühlingsfeste entsprachen darum einem aus der Tiefe des Gemüts nach Betätigung drängenden Gefühl. Auch im alten Erfurt wurde ein solches Fest mit großem Glanz und unter Anteilnahme der ganzen Bürgerschaft begangen: der Walperzug (f. Religion der alten Thüringer, Nr. 6). (Nach L. Rohmann it. a.) 32. Erfurter ßandel und ßandelsltrafoen. Soweit sich Erfurts Geschichte zurückverfolgen läßt, hängt sie aufs engste mit Handel und Handelsstraßen zusammen. Erfurt als Markt: Schon der weitsichtige Blick Karls des Großen erkannte die überaus günstige Lage der Stadt. Er be-

8. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 100

1911 - Erfurt : Keyser
- 100 — Hauses nicht schrecken ließ. Auch Dudelsackpfeifer und Fiedler, Ringer und Klopffechter (gewerbsmäßige Fechter) waren da, und unter all dem Volk suchten die Leute ein Vergnügen, die ihre Geschäfte erledigt hatten oder sonst nichts Besseres zu tun wußten. (Nach L. Rohmann.) 34. Erfurt als Markt- und ßandelsstadt. Vor der Stadt: Auf der breiten Landstraße, die von Erfurt aus nach dem norddeutschen Tiefland läuft, bewegte sich an einem Spätsommertage des Jahres 1522 ein stattlicher Warenzug. Nicht weniger als 27 zweiräderige Karren zählen wir, die von 54 kräftigen Gäulen gezogen und von rüstigen Knechten geleitet werden. Die Güter wurden in Hamburg für Rechnung einiger Nürnberger Handelsherren verfrachtet. Menschen und Pferde sind müde von der weilen, heute zurückgelegten Strecke längs der sumpfigen Geraaue (Bett der Schmalen Gera); doch müssen alle Kräfte angespannt werden, um noch bei Tageslicht die Erfurter Stadtmauer zu erreichen. Schon steht die Sonne tief am Himmel; sie glänzt auf dem Dache von „Unserer lieben Frauen" (Dom) und von Skt. Sever, die sich scharf vom südwestlichen Himmel abheben. Ringsum dehnen sich reifende Getreidefelder aus, dazwischen sind weite Strecken mit den grünen Blattrosetten des Waids bedeckt. Die Ausläufer der Fahnerschen Höhe, die nahe an der Stadtmauer nach der Gera zu abfallen, und die Abhänge des Petersberges umgrünen üppige Weinberge. Jetzt hebt sich das mehrtürmige Johannestor deutlich vom Mauerring. Von Nordwesten her mündet die Nordhäuser Straße ein in unsern Weg; sie führt manchen Kaufmannszug — einzelne Karren und ganze Gesellschaften — dem gleichen Ziele zu: der vieltürmigen, weitberühmten Thüringer Handelsstadt Erfurt. Dicht vor dem Tore wird das Gedränge noch merkbarer; ein Trupp Gewappneter, die den Erzbischof von Magdeburg über den Thüringer Wald geleiten wollen, hat uns überholt. Voraus reitet der sächsische Obergeleitsmann mit dem weißen Stabe im Namen seines Herren, des Kurfürsten. Sie dürfen zuerst das Tor passieren. Dann muß der Hauptmann unseres Zuges die „Politen" (s. S. 95) vom letzten Geleitsort vorweisen, und endlich rollen die schwerfälligen Karren durch das mächtige Torgebäude. Auf der Krämerbrücke und im Kaufhaus: Aber noch ist den müden Reisenden keine Ruhe gegönnt. Zwar ziehen die Pferde, die wohl wissen, daß ihrer ein warmer Stall wartet, nach Kräften vorwärts, fast zu rasch für unser Verlangen, die Auslagen der Kaufmannsgaden: Tuch und Leinen. Schuhwerk und „essende Ware", vor allem aber die tausenderlei Arten fremdländischer Kostbarkeiten der Krämerbrücke in Augenschein zu nehmen; wir aber müssen uns schleunigst nach dem Ueberschreiten dieses

9. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 102

1911 - Erfurt : Keyser
— 102 — bunter Abwechslung. Schwere Lastwagen, von 4 und mehr Pferden gezogen, bewegen sich gemächlich der Stadt zu; leichtere Karren der Wäldler eilen an uns vorüber; kleine Händler bringen ihre selbstgearbeiteten Waren, geschnitzte Löffel, Mulden it. bergt., aus Schiebekarren ober Reffen zum Markt. Steil steigt die Hohle an zur Seite des Berges, der das Kloster St. Cyriaki trägt. Dann geht's leichter bergab bis Schmira, wo wir die hohe Lanbstraße verlassen nnb süblich abbiegen, bett Walbbergen zu. — Bald heißt es die Apselstäbt bnrchschreiten! Nach dem aus-trocknenben Wetter der letzten Wochen ist bies nicht allzu schwierig. Unser nächstes Ziel sinb die beiben stolzen Burgen; zunächst das Haus Gleichen, dann die ersnrtische Feste Mühlberg. Im Kretscham unter der Gleichenschen Burg wirb gerastet, und manches Stübchen Wein bringt die Wirtin in die kühle Schenkstnbe. Weiterhin wenbet sich der Weg in tief ansgefahrenen Gleisen um den Berg. Die Gäule schreiten tapfer aus; das reiche Dorf Mühlberg ist balb burchsahren. Trotzig schaut der feste Bergfrit zu uns hernieber nnb ebenso stolz gesichert hebt sich weiter im Osten der Kegel heraus, der die Wassenburg trägt. (Nach L. Gerbing.) 35. Zckützenkelte und Turniere in Erfurt. In bett mittelalterlichen Städten würden mancherlei prunkvolle, weltliche und geistliche Feste gefeiert. Zu den ersteren zählen die Schützenfeste und Turniere, zu den letzteren die Prozessionen. Stolle1) beschreibt in feiner Chronik das Erfurter Schützenfest von 1477 und das Erfurter Turnier von 1496. Das Schützenfest: Das Schützenfest würde fünf Tage lang, vom 28. Juli bis zum 2. August 1477, gefeiert. Es war eine Erwiderung auf die Einladung, welche die Erfurter Armbrust-und Büchsenschützen von den sächsischen Fürsten zu einem „Schützen-hose" (Schützenfeste) nach Weimar erhalten hatten und auf welchem sie sehr freundlich aufgenommen worden waren. Das damalige Erfurter Schützenhaus stand vor dem Löbertore in der sogenannten „Lehmgrube", also auf dem Gelände vor Mangolds Felsenkeller. Als Gäste waren anwesend Herzog Wilhelm von Weimar, Graf Heinrich von Schwarzburg mit feinen Söhnen, Gras Ernst von Gleichen und andere Grasen, auch Vertreter aus mehreren thüringischen Städten. Die Gäste beteiligten sich drei Tage lang am Preisfchießen. Die Preise selbst bestanden in 16 Kleinodien, silbernen Schalen und silbernen Bechern; der Hauptgewinn dar- unter war 30 Gulden, (s. S. 112) wert, welchen ein Schützen-meister aus Erfurt erwarb. Andere Preise bestanden in Tuch zu ’) Thüringische Chronik von Konrad Stolle (1502), Vikar an der Severi-kirche, in der er auch bestattet ist.

10. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 21

1911 - Erfurt : Keyser
— 21 — heute noch der Wodansvogel verzehrt wird, der hauptsächlichste Stellvertreter des mit dem Wolkenmantel im Sturm dahinsahrenden obersten Gottes. Von den Wochentagen war der Mittwoch Wodan heilig. Frija: Hohe Verehrung wurde auch seiner Gemahlin Frija, der freundlichen Erdgöttin, zuteil. Ihr war der Freitag heilig. Die christliche Kirche setzte an die Stelle der Göttin die Mutter Maria, und die Sonnenkälbchen der Frija wurden zu Marienkäfern. Unsern Altvordern galten die ersten zwölf Tage des Maimonds wegen der in der Walpurgisnacht vollzogenen Vermählung des Götterpaares als eine besonders hohe Feierzeit, und heute noch besteht die uralte Sitte, den Anfang des Wonnemonats festlich zu begehen. So schmückt in manchem Thüringer Dorf der Bursche das Haus der Geliebten in der ersten Mainacht mit frischem Grün. Auch holt man heute noch den Maibaum ein und umtanzt ihn, nachdem er mit bunten Bändern geschmückt ist; und voller Sehnsucht erwartet der Erfurter die Maisonntage, um einen Spaziergang in den Steiger zu unternehmen. Dabei kommt es ihm jetzt wie ehemals nicht darauf an, einen Abend oder eine Nacht für einen Gang in den Maitau zu opfern. Walpe.rzug: Sicher ist diese Maifahrt noch der kümmerliche Rest jenes mittelalterlichen Volkssestes, das die Erfurter zu Walpurgis feierten und Walperzug nannten. Im Glanz der Waffen und mit fliegender Fahne zogen die Biereigen durchs Löbertor in die Wawet, wohin schon am Abend vorher die Bierträger Kuchen und Bier gebracht hatten. Sie hielten in der Walpurgisnacht am Lagerfeuer auf der Kuhweide strenge Wacht, um eine etwaige Rückkehr der Winterriefen zu verhindern, und fällten nach üblichem Brauch vier Eichen. Nachdem dann am Festmorgen der Zug der Gewappneten die Wawet erreicht hatte, lagerte man sich in bunten Gruppen unter die Bäume oder tat sich in den errichteten Zelten gütlich an Speise und Trans. Besondere Freude erregten bei alt und jung die Waffenspiele, die als Sinnbild eines Kampfes zwischen Winter und Frühling aufgeführt wurden. Spät am Abend kehrten die Bürger, beladen mit einer Bürde Maien, die zum Schmuck des Hauses dienen sollte, in die Stadt zurück. Matt führte aber im Zuge zwei Knaben zu Pserde mit sich, welche die beiden Jahreszeiten verkörperten. Das Frühlingsfest dauerte drei Tage; am Abend des dritten ging es mit dem Einziehen der Fahne durch die Walperherren, den 4 Vorstehern der Biereigen (für jedes Stadtviertel einen), zu Ende. Donar: Verehrt wurde von unsern Ururväteru auch Donar, der Sohn Wodans und der Frija. Er war der Gewittergott und der Donner das Rollen seines Wagens und der Blitz seine Waffe. Doch war er den Menschen auch freundlich gesinnt, schützte ihnen das Vieh, segnete ihre Feldarbeit und war ihnen ein lieber, hoher Familiengast, daher auch der Hochzeitsgott. Seine Farbe war
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